Bänkellied? Was ist das?
In der Zeit vor TV, Kino und (Regenbogen-)Presse, wurden Geschichten und Nachrichten unter anderem von den Bänkelsängern unter die Leute gebracht. Diese Bänkelsänger suchten ihr Publikum vor allem auf Festen und Jahrmärkten. Dort stellten sie sich auf auf eine Bank, hinter der große Tafeln mit Bildergeschichten aufgestellt waren, und während der Mann die Drehorgel drehte und das Lied zur Melodie dazu sang, zeigte seine Ehefrau mit einem Stab auf den jeweils zutreffenden Bildausschnitt auf der Tafel.
Nach diesen lauthals beworbenen und gesungenen Liedern, wurden – vielleicht auch durch die eigenen Kinder – kleine Heftchen verkauft, in denen das Lied nachzulesen war, manches mal illustriert und gerne mit einem einleitenden Text versehen, der Zusatzinformationen zum behandelten Thema lieferte. Angesichts dessen, dass der Verkauf dieser Heftchen eine wichtige Einkommensquelle der Bänkelsänger, lässt sich daraus folgern: Je dramatischer eine Geschichte ausgeschmückt würde, desto höher war wohl auch die Chance, dass das Interesse des Publikums geweckt wurde, ein Gedankengang, der nach wie vor seine Gültigkeit hat, in der Tagespresse, in Hollywood, im Boulevard …
1959 haben Elsbeth Janda und Fritz Nötzoldt ihr Buch „Die Moritat vom Bänkelsang oder Das Lied der Straße” veröffentlicht. Janda und Nötzoldt versuchen darin sie nicht nur die Geschichte der Bänkelsänger nachzuzeichnen, sondern bieten als Herzstück des Bandes auch eine reichhaltige Sammlung an Bänkelliedern, die belegt, wie vielfältig die Bänkellieder in inhaltlicher Hinsicht waren.
Teil dieser Sammlung ist denn auch „Das ungelöste Rätsel von Nürnberg”, das Janda und Nötzoldt auf 1834 datieren. Es ist also relativ zeitnah nach dem Tod von Kaspar Hauser am 17. Dezember 1833 erschienen. Diese zeitliche Nähe mag dafür mitverantwortlich sein, dass die komplexe und gleichzeitig verwirrende Geschichte kompakt und nachvollziehbar nacherzählt wird.
Der Text zum Bänkellied von 1834
Das ungelöste Rätsel von Nürnberg
Text: Anonym 1834 – Musik: Reinhold Giovanett
Könntet Leute, ihr doch sagen,
Wer dieses Kind, wer Kaspar Hauser war!
Laßt euch alle, alle fragen,
Damit die Untat werde offenbar!
Wer war‘s, die er Mutter nannte?
Wenn dieses Weib man Mutter nennen darf,
Das den eigenen Sohn verbannte
Und ihn in den finstern Kerker warf.
Pfingsten traf das arme Wesen
In Nürnberg anno 28 ein,Trug `nen Brief, darin zu lesen,
Daß Schwollisché er gerne wollte sein.
Ach, so viel man sich auch mühte
Um den Findling, der so blaß und stumm war,
Traurig blieb er im Gemüte,
Wenn er auch durchaus nicht stumpf und dumm war.
Flüsternd sprach man, daß seine Stirne
Bestimmet sei für eine Krone Zier,
Doch mit teuflischem Gehirne
Macht man aus diesem Knaben fast ein Tier.
Später stach ein ungenannter
Kerl in Ansbach unsern Kaspar tot.
Er starb als ein Unbekannter,
Sein blaues Blut färbt dort die Erde rot.
Hat kein Fürst `ne Trän‘ vergossen,
Durch die vielleicht der Menschheit werde klar,
Weshalb denn dieses Blut geflossen,
Und wer der arme Junge wirklich war?
Fünfundzwanzig Silbergroschen
Gern zahl ich dem, der mir den Namen nennt,
Doch andere werden Gold für geben,
Daß keiner jenen Kaspar Hauser kennt.